V.-C. Elter
Wertschöpfungskette von medialen Rechten am Beispiel der Fußball-Bundesliga (Saison 2002/2003)
Niemals zuvor wurde so heftig über die medialen Rechte der Fußball-Bundesliga diskutiert wie zu Beginn der Saison 2002/2003. Insbesondere die finanziellen Schwierigkeiten des Hauptrechteinhabers KirchMedia haben den Wertschöpfungsprozess mit seinen gegenseitigen Abhängigkeiten, Einflussnahmen und Verwertungen in den Blickpunkt des Interesses gerückt.
Wertschöpfungsbegriff
Allgemein beschreibt der Wertschöpfungsbegriff die Wertgrößen, welche die Differenz zwischen der abgegebenen und der übernommenen Leistung oder positiv die Eigenleistung eines Unternehmens erklären. Wertschöpfung wird auch oft kurz als "Prozess des Schaffens von Mehrwert durch Bearbeitung" bezeichnet. Ein Unternehmen ist i.d.R. nur ein Teil der umfassenden Kette aller wertschöpfenden Aktivitäten - von der Entstehung eines Produkts (Dienstleistung) bis zum Konsumenten. Die Wertschöpfung von Unternehmen ist daher in ein Wertschöpfungssystem von vor- (Lieferanten) und nachgelagerten (Abnehmern) Wertschöpfungsketten eingebettet und erbringt somit nur einen Teil der Gesamtwertschöpfung.
Teilnehmer der Wertschöpfungskette
Die Fußballvereine stehen am Anfang der Wertschöpfungskette und sind durch die "Erstellung des Produkts" an der medialen Vermarktung der Bundesligaspiele unmittelbar beteiligt. Die Rechte werden im Anschluss zentral auf der Ebene des Verbands vermarktet. Der DFB verpachtet die Rechte an den Ligaverband, der wiederum die DFL als Agentur mit der Vermarktung beauftragt. Die Nutzungsrechte zur Fernsehübertragung wurden an die Buli-Vermarktungs GmbH, eine 100% ige Tochtergesellschaft von KirchMedia, als Rechtevermarkter verkauft. Die Gesellschaft verwertet die Rechte eigenständig und tritt daher bei der weiteren Verwertung im eigenen Namen auf. Die erworbenen Rechte werden aufgeteilt und anschließend an eine Vielzahl von Lizenznehmern (Verwertungsunternehmen) weiterverkauft. Die nationalen Einzelrechte für die Fernsehübertragung wurden für die Saison 2002/2003 an Premiere und SAT.1 als Erstverwerter im Pay- bzw. Free-TV sowie an ARD, ZDF und DSF als Zweit- bzw. Drittverwerter im Free-TV verkauft. Die Rechteproduktion wird von Plazamedia vorgenommen und allen Zweit- und Drittverwertern entgeltpflichtig zur Verfügung gestellt. Die Zuschauer haben für die verschiedenen Rechteverwerter eine unterschiedliche Bedeutung. Da sich die öffentlich-rechtlichen bzw. die privaten Fernsehanstalten über sekundäre Finanzierungsquellen wie Gebühren und/oder Werbung refinanzieren, besteht bei diesen i. Ggs. zu den entgeltfinanzierten privaten Fernsehanstalten (Pay-TV) keine direkte Abhängigkeit von den Zuschauern.
Wertschöpfungsprozess
Wertschöpfung kann durch bestimmte Fähigkeiten und Ressourcen der jeweilig am Prozess beteiligten Unternehmen entstehen. Die Marktteilnehmer bewältigen bei diesem Prozess verschiedene Aufgaben, die den "Produktreifegrad" in unterschiedlichem Maße beeinflussen. Im ersten Schritt "produzieren" die 18 Vereine die Bundesligaspiele. Gemäß der Ordnung für die Verwertung kommerzieller Rechte (OVR) i.V.m. den Satzungen des DFB und des Ligaverbands wird dieses Produkt zentral von der DFL vermarktet und der weiteren Verwertungskette angeboten. Es handelt sich hierbei um ein Lizenzrecht, das grundsätzlich für alle Verwertungsregionen und formen erworben werden kann. Die Wertschöpfung der DFL besteht demnach im Wesentlichen darin, das Produkt zu bündeln und bestmöglich zur Vermarktung anzubieten. Darüber hinaus beansprucht die DFL Einfluss auf das Sendekonzept, um so die optimale Präsenz im Sinne ihrer Markenstrategie zu gewährleisten. Der Vermarkter erwirbt das Exklusivrecht an der Fußball-Bundesliga als Gesamtpaket. In diesem Fall handelt der Vermarkter im eigenen Namen und für eigene Rechnung und übernimmt damit das vollständige wirtschaftliche Risiko. Der Vermarkter verpflichtet sich gegenüber der DFL zur Herstellung eines Sendesignals. Diese Aufgabe kann auch dergestalt sein, dass die Vermarkter in den Verträgen verpflichtet werden, ihrerseits den rechteerwerbenden Fernsehsender zur Signalherstellung zu verpflichten. Nach dem Erwerb wird das exklusive Nutzungsrecht vom Vermarkter in Einzelrechte aufgesplittet und weiterlizenziert. Dies betrifft die Aufteilung auf verschiedene Länder und auf verschiedene Verwertungsarten (Free-, Pay-TV und Internet etc.). Das Wertschöpfungspotenzial besteht im Wesentlichen aus der optimalen Verwertung eines exklusiven Gesamtrechts durch eine Reihe von Einzelrechten. Durch die Splittung versucht der Rechtevermarkter eine optimale Refinanzierung des von ihm bezahlten Preises zu erwirken. Bis zu diesem Zeitpunkt ist das "Produkt" noch nicht marktreif, da es sich ausschließlich um ein Recht zur Fernsehübertragung handelt. Durch die Lizenzierung des Nutzungsrechts muss der Fernsehsender ein Sendesignal sowie einen Wortbeitrag für die Verwertung produzieren. Durch diesen Vorgang tritt neben das Nutzungs- bzw. Verwertungsrecht das Recht an den TV-Aufnahmen selbst. Erst durch die beiden Rechte zusammen entsteht ein marktfähiges Produkt, welches dem Zuschauer im Rahmen des Senderprogramms angeboten wird. Es zeigt sich, dass die Wertschöpfung innerhalb des Prozesses sehr unterschiedlich ist. Während die "ersten Stufen" vor allem Know-how und eine mengenmäßige Veränderung des Produkts erbringen, erfolgt die "physische Veränderung" des Produkts erst am Ende des Wertschöpfungsprozesses.
Probleme
Auf der Stufe der Rechtevermarkter gibt es nur einige wenige Marktteilnehmer. Durch frühzeitige Rückwärtsintegration der großen Medienkonzerne haben sich Agenturen am Markt etabliert und sich durch den Abschluss langfristiger Vermarktungsverträge den Zugang zu den Premiumrechten gesichert. Der Markteintritt weiterer Rechteagenturen ist erschwert, da der Rechteerwerb im Wesentlichen nur durch eine vertikale Integration in große Medienunternehmen refinanzierbar ist. Die Rechteverwerter müssen darüber hinaus eine breite und vollumfängliche Verwertungskette sowie eine entsprechende technische Reichweite zur Verfügung haben. Die unterschiedlichen Interessen, bezogen auf die optimale Verbreitung und Verwertung der Rechte, können dabei zu Problemen führen und langfristig die Marke des Produkts beschädigen. Versuchen Vermarkter und Verwertungsunternehmen aus Refinanzierungsgründen eine möglichst umfangreiche Verwertung der gesamten Verwertungskette zu erreichen, müssen die Rechteinhaber darauf achten, dass durch eine umfangreiche Verwertung keine Sättigungstendenzen entstehen, die sich langfristig nachteilig auf den Rechtepreis auswirken können. Der seit 2001 anhaltende Einbruch des Werbemarktes im Free-TV und die derzeit noch stagnierenden Abonnentenzahlen im Pay-TV haben gezeigt, dass ein Wertschöpfungsprozess nicht funktionieren kann, wenn die Refinanzierung allein auf den vermeintlich Letzten in der Wertschöpfungskette abgewälzt wird, ohne dass die anderen "Partner" auch nur annähernd ein unternehmerisches Risiko tragen.