PD Dr. Alexander Dilger
Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre,
insb. Personal- und Organisationsökonomie
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Frank Tolsdorf
Reinhard-Mohn-Lehrstuhl für Unternehmensführung
Universität Witten/Herdecke
Doping als Wettkampfphänomen
Häufig wird Doping als individuelles Fehlverhalten weniger moralisch zweifelhafter Sportler dargestellt. Wir wollen hingegen herausarbeiten, dass es systematische, in der Organisation des sportlichen Wettbewerbs und der diesen begleitenden Medien, Werbung, staatlichen Förderung etc. liegende Anreize und Selektionsmechanismen für den Gebrauch von Dopingmitteln gibt. Wenn Doping die sportliche Leistung verbessert (und nur dann ist der Doping-Einsatz rational), dann verbessern einzelne gedopte Sportler ihren Rangplatz und verdrängen ungedopte Sportler vom Siegertreppchen oder überhaupt aus dem Wettkampfkader, wogegen sich jene nur mit dem eigenen Gebrauch von Dopingmitteln wehren können. Dazu wird ein theoretisches Modell entwickelt, aus dem sich empirisch testbare Hypothesen ergeben. Es wird desto eher (und mehr) gedopt, je höher die Leistungsdichte der Spitzensportler ist, je mehr die Leistung durch Doping ansteigt, je laxer die Dopingkontrollen sind, je geringer die Strafen für erwischte Dopingsünder ausfallen, je weniger die Dopingmittel die Gesundheit beeinträchtigen und je kürzer die noch zu erwartende sportliche Karriere ist (also insbesondere durch relativ alte oder schlechte Sportler). Diese Hypothesen lassen sich empirisch überprüfen, wozu wir die Jahresstatistiken der IOC-akkreditierten Laboratorien in Köln und Kreischa sowie die Jahresweltbestzeiten in Relation zu Dopingtests unterschiedlicher Sportdisziplinen auswerten. Verbleibende Probleme bei der Datenverfügbarkeit sind möglicherweise auf eine zweite Form systematischer Fehlanreize in Richtung Dopingmissbrauch zurückzuführen, diesmal nicht auf Ebene der aktiven Sportler, sondern der für die Dopingkontrolle zuständigen nationalen und internationalen Verbände. Denn diese sind vor allem am Image des "sauberen" Sports interessiert, dem öffentlich bekannte Dopingfälle eher abträglich sind. Umgekehrt präferieren die Verbände sportliche Erfolge bis hin zu neuen Weltrekorden, relativ unabhängig vom Dopingproblem, so lange dieses nicht öffentlich wird. Darauf deutet das systematische, zugleich seinerzeit geheime Dopingprogramm der ehemaligen DDR hin.